„Warum hast Du eigentlich keinen Kontakt zu Deiner Mutter?“
Jonas wendet sich ihr zu und schaut sie mit großen Augen an: „Hm? Was hast Du gesagt?“
Laura fühlt sich direkt doof. Ihr fiel es ohnehin schwer die Frage überhaupt zu stellen… „Was eigentlich mit Deiner Mama ist, hab ich mich gefragt.“
Jonas winkt ab: „Die wohnt in München, daher…“ und beendet den Satz mit einem Schulterzucken.
Laura kommt sich blöd vor. Sie ist jetzt seit 1 Jahr mit Jonas zusammen und hat das Gefühl ihn kaum zu kennen. Also, schon, sie weiß was er gerne mag, wie er tickt, was er lustig findet… und sie liebt ihn, seine positive Art und seine Stärke… aber irgendwas fehlt. Sie weiß nichts über seine Vergangenheit, nur ein paar Anekdoten, in denen er sozusagen der „Held“ war, so richtig schlecht scheint es ihm noch nie gegangen zu sein.
„Warum habt ihr denn keinen Kontakt?“
Jonas legt seinen Kopf schief und lächelt Laura an: „Sie hat da ein neues Leben und hat Papa und mich verlassen, als ich 8 war. Ich kenne es nicht anders. Sollen wir ne Pizza bestellen?“
Laura kommen die Tränen, doch sie versucht sie zurückzuhalten und sagt nur: „Ja, gerne!“, bevor sie im Bad verschwindet.
Sie versucht sich vorzustellen, wie furchtbar es gewesen sein muss als kleiner Junge von Mama verlassen zu werden, Jonas‘ Papa ist jetzt auch eher na ja, wenig liebevoll… sie kann den Gedanken kaum ertragen, noch schwieriger auszuhalten findet sie jedoch seine Reaktion.
Jonas hingegen ist nicht traurig, höchstens genervt. Er versteht nicht, warum Laura immer mal wieder über diese Dinge, die echt nicht schön sind, reden will. Er fühlt sich nicht respektiert und irgendwie fühlt es sich auch einfach nicht gut an.
Das Phänomen im Dialog, begegnet mir relativ oft in meiner Praxis, die Ursachen & Gründe sind vielfältig, doch das Verhalten ist oft ähnlich: Ein Paar kommt zu mir und nur (meistens) die Frau hat das Problem, während (meistens) der Mann sagt, es sei alles gut.
Jonas empfindet es wirklich so. Zumindest würde er das sagen, wenn man ihn danach fragt.
Jonas hat gelernt, dass es nichts bringt, wenn man jammert, trauert, rumheult. Man sollte sich nicht so anstellen. Man(n) sollte sich zusammenreißen und weiter machen, sich abfinden.
Sobald er mit einem Problem konfrontiert wird, wirds gelöst oder eben so lange verdrängt, bis es sich „von selbst löst“.
Der innere Konflikt ist Teil des Problems, für Jonas ist „alles gut“. Er kennt es nicht anders.
Laura jedoch zweifelt mittlerweile an der ganzen Beziehung und sie weiß noch gar nicht so genau warum…
Als Laura ihn zu einem späteren Zeitpunkt damit konfrontiert versteht Jonas die Welt nicht mehr, innerlich bricht seine sogar zusammen, doch zu ihr sagt er nur: „Dann ist es wohl besser wenn wir uns trennen!“
Laura fühlt sich bestätigt, er liebt sie also nicht, für ihn ist die Beziehung also nicht so wichtig…
Jonas Verhalten kann verschiedene Ursachen haben, deren Ursprung oft in der Kindheit liegt: die Angst vor zu viel Nähe, weil man früh jemanden oder etwas verloren hat und nicht verstanden hat wieso… die Angst vor Abhängigkeit, weil man entweder gehört oder erlebt hat, wie hilflos sich Abhängigkeit anfühlen kann… fehlende/mangelnde Emotionsregulation, bedingt durch ein Mangel an Vorbildern, Ablehnung oder gar Bestrafung bei Emotionen wie Trauer & Wut oder auch das Gefühl sich nicht beschweren zu dürfen, stark zu sein, weil man hierfür Ablehnung / Strafe erfuhr. Ein Mangel an Selbstwert, aber auch andere Ursachen oder eine Kombination daraus sind denkbar.
In dieser Folge möchte ich weniger auf Jonas eingehen, auf die Gründe und Ursachen, verlinke aber gerne Beiträge in diesem Skript.
Bindungsängste: Die Angst vor zu viel Nähe
Bindungsängste: Die Angst vor dem Allein sein.
Das missverstandene Innere Kind
Vielmehr geht es mir darum ein Verständnis dafür zu erzeugen, warum die eigenen Verletzungen, Schattenseiten oder auch Abgründe zum Problem innerhalb einer Beziehung werden können, wenn man sie eben versucht zu verstecken.
Vielleicht hilft es Laura zu verstehen, warum sie sich scheinbar von ihm distanziert und neben ihm so doof fühlt und gar mit dem Gedanken spielt sich zu trennen. Und es gibt ihr hoffentlich eine Erklärung, dass seine so vermeintlich nicht-emotionale Reaktion nicht für einen Mangel an Liebe steht.
Auch bekommt Laura ein paar Impulse an die Hand.
Und Jonas, bekommt vielleicht eine neue Perspektive und mit dieser auch gute Gründe, sich seiner Vergangenheit zu stellen und Impulse für korrigierende Erfahrungen, die ihm die Tür zu seinen Emotionen öffnen - ohne zu überfordern.
Doch zunächst einmal einige Anzeichen für das fehlender emotionaler Verbindlichkeit innerhalb der Beziehung.
1. Eure Partnerschaft fühlt sich an, wie ein harmonisches "vor sich Hinplätschern". Alles ist gut, dennoch fühlst Du Dich oft einsam.
2. Andere beneiden euch oft, ihr seid so ein ein tolles Paar. Daher fühlst Du Dich unverstanden, Dir wird suggeriert, Du willst zu viel.
3. Ihr habt zwar viele Gemeinsamkeiten, ähnliche Werte, aber Dir fehlt die Leidenschaft.
4. Du zweifelst nicht an der Liebe, fühlst sie aber nicht wirklich, fühlst Dich nicht wertgeschätzt, nicht gesehen, nicht wichtig.
5. Du fragst Dich manchmal, wie gut ihr einander kennt und hinterfragst ob es bei der Liebe um Dein "Sein" geht oder vor allem, um die "funktionierende" Beziehung.
6. Das was "das Außen" sieht ist fast identisch mit dem, was passiert, wenn niemand da ist. Es fühlst sich oberflächlich an, fast austauschbar.
Wenn Dir diese Aussagen bekannt vorkommen, kann das darauf hindeuten, dass emotionale Verbindlichkeit fehlt. Was ist damit überhaupt gemeint?
Verbindlichkeit innerhalb einer Beziehung bedeutet, dass man sich zueinander bekennt und eine Verbindungen zwischen einander erzeugt, durch den Beziehungsstatus, einen Urlaub planen, Zusammenwohnen, sich für eine Ehe oder Kinder entscheidet. Wir begeben uns, ganz platt ausgedrückt, in eine gegenseitige Abhängigkeit. Man entscheidet sich für etwas Gemeinsames und natürlich gibt es auch hier Abstufungen. Ein gemeinsamer Urlaub ist zunächst zeitlich begrenzt und notfalls storniert man. Eine gemeinsame Wohnung ist da schon verbindlicher und geht mit mehr Abhängigkeit einher und auch mit größeren Konsequenzen, wenn man scheitert.
Was genau also Verbindlichkeit bedeutet, war Dir vielleicht auch vorher schon klar, aber was hat es mit der emotionalen Verbindlichkeit auf sich?
Auch hier geht es um Gemeinsamkeit, um gegenseitige Abhängigkeit, um das Teilen von Verantwortung und um Vertrauen. Wenn ich einen gemeinsamen Urlaub buche, dann kann ich den immer noch stornieren. Aber wenn ich meine intimsten Gefühle mit jemand Anderem teile, dann gibt es keine Stornierung, ich teile etwas, was ich nicht zurücknehmen kann und auch nicht rückgängig machen kann. Ich signalisiere hierdurch: Ich vertraue Dir. Ich zeige Dir meine wunden Punkte, weil ich weiß, dass Du mich nicht verletzen wirst. Ich zeige Dir auch meine Schattenseiten, meine Schwächen, weil ich Dich manchmal brauche. Ich teile meine Ängste mit Dir und gebe Dir mit all dem auch eine Verantwortung für mich, meine Gefühle, meine Erfahrungen und mache mich angreifbar und verletzlich. Ich lege meinen Schutz ab und kann Dir so viel Näher kommen, als wenn ich meinen Schutz aufrechterhalte, Dich auf Distanz halte, nur kontrolliert von mir erzähle und versuche ein Bild aufrecht zu erhalten, von dem ich will, dass Du es siehst und alle unschönen Aspekte vor Dir verstecke. Du siehst mich in Gänze, mich als Mensch, mit allem was dazu gehört, meine Schwächen und Stärken, meine Ängste, meine Anstrengung, Du siehst mich, wie ich bin, liebst mich wie ich bin, unsere Verbindung und unsere Beziehung ist tief und nicht oberflächlich.
Das was für den einen wunderschön und erstrebenswert klingt, hört sich für den Anderen eher bedrohlich und schwer an oder ist so gar nicht greifbar: Tiefe Verbindung? Was ist das? Und was nutzt mir das?
Bei emotionaler Verbindlichkeit geht es nicht nur um Liebesbeziehungen, sondern um Beziehungen allgemein. Freundschaften, Eltern-Kind-Beziehungen, usw. Aber da "der Mangel an Verletzlichkeit" ansteckend ist, scheuen wir uns oft, uns verletzlich zu zeigen. Manche benötigen ganz viel Sicherheit oder /und Zeichen von Schwäche beim Gegenüber und Andere, sind so weit davon entfernt, haben eine so große Schutzmauer errichtet, bzw. errichten müssen, weil sie bisher nur die Erfahrung gemacht haben, dass sie auf Ablehnung stoßen und eben verletzt werden, sobald sie sich verletzlich zeigen.
Auch hier zunächst ein paar Beispiele:
„Puh, das haut ganz schön rein. Ich bin echt ein bisschen überfordert mit den Inhalten“, sagt Bettina in der Pause der Fortbildung in die Runde.
Laura fragt ungläubig: „Ach echt? Ich finde es ganz spannend, mir hätten 15min Pause auch gereicht!“
Tanja, eine weitere Arbeitskollegin, nippt an ihrem Kaffee, während die Leitung dazu kommt und sagt: „Und? Tolle Referentin, oder?“
Tanja und Bettina lächeln höflich und tauschen Blicke aus.
Wer steht hier wie mit wem in Beziehung und warum? Wie ist wohl die Beziehung zwischen Bettina und Laura? Vermutlich nicht so gut.
Bettina zeigt sich offen, spricht aus, was alle denken, Tanja findet Bettina direkt sympathisch. Laura tut so, als ginge es ihr anders, Bettina nimmt für sich mit, sich zukünftig nicht mehr zu beschweren, wenn Laura dabei ist.
Laura fand die Fortbildung auch ganz schön ermüdend, aber sie hat gelernt, dass Leistung wichtiger ist, als Befindlichkeiten. In der nächsten Kaffeepause laufen Bettina und Tanja einfach an ihr vorbei. Laura wundert sich, warum sie nun alleine im Foyer steht.
Ein weiteres Beispiel:
Es regnet, am Hochzeitstag mitten im August. Christine ist enttäuscht, traurig, frustriert und genervt. Die Fotos in der Parkanlage, die Frisur, der kleine Innenraum der Location.
„Ausgerechnet heute!“, sagt sie und schaut niedergeschlagen aus dem Fenster.
„Ach komm! Jetzt lass Dir doch nicht vom Wetter die Laune verderben,“ bittet Frank.
Nun fühlt Christine sich noch schlechter, unverstanden und sie schämt sich, weil sie in ihrer Beziehung, bald Ehe, immer diejenige mit der schlechten Laune ist.
Christine nimmt sich vor nicht mehr so negativ zu sein. Frank hatte sich eine Hochzeit auch anders vorgestellt, aber ihm wurde beigebracht, dass man sich nicht beschweren darf. Nie.
Was Frank nicht weiß, wie sehr Christine unter seiner Reaktion leidet und sogar mit diesem offenbar unerwünschten „schwachem“ Anteil nun nicht mehr so offen umgehen möchte, sich vornimmt hier auf Distanz zu gehen, aus Sorge erneute Ablehnung zu erfahren.
„Es tut mir leid, der Embryo hat sich nicht weiterentwickelt und ich finde keinen Herzschlag mehr“, sagt Dr. Werner, während er den Blick noch auf den Monitor gerichtet hat und wendet sich dann mitfühlend Kim und Lia zu.
Lia weint. Kim legt seine Hand auf ihre Schulter. Auf der Heimfahrt Schweigen sie. Zuhause angekommen, sagt Kim plötzlich: „Ich fahre jetzt einkaufen. Hast Du nen Wunsch?“
Lia wird wütend. Wie kann er so ruhig bleiben. Wie kann er ans Einkaufen denken? Ans Essen? Kim lächelt sie liebevoll an und sagt: „Ich bring einfach ne Auswahl mit, leg Du Dich vielleicht einfach hin!“
Lias Wut verwandelt sich in Scham, er ist so stark und so fürsorglich. Als die Tür ins Schloss fällt, beginnt sie laut zu schluchzen, krümmt sich vor Trauer über den Verlust, reißt sich dann aber zusammen, geht duschen. Kim müsste ja gleich zurückkommen.
Lia weiß nicht, dass auch Kim am Boden zerstört ist, er weint, sobald er im Auto sitzt, um in den Supermarkt zu fahren. Aber Männer die weinen, sind keine richtigen Männer.
Er schützt sich, will stark sein, auch für Lia. Beide weinen alleine, statt zusammen.
In all diesen kleinen Beispiele mangelt es an emotionaler Verbindlichkeit, denn wäre diese emotionale, tiefe Verbindung gegeben, bedürfte es keines Schutzes, keiner Mauer.
Laura schützt sich, weil sie Angst vor Ablehnung hat, Leistung steht vor Befindlichkeit.
Frank schützt sich aus ebenfalls aus Angst vor Ablehnung, er möchte sich nicht über Dinge beschweren auf die er keinen Einfluss hat, das erinnert ihn zu sehr an das Gefühl ausgeliefert zu sein, somit bittet er seine Zukünftige sich davon auch nicht runterziehen zu lassen.
Und Kim hat Sorge, das Lia ihn ablehnt, wenn er Emotionen zeigt.
Ihr Verhalten, ihr Schutz, sorgt wiederum für eine Distanzierung: Laura steht alleine am Kaffeetisch. Frank wird zukünftig nicht mehr so oft hören, wie es Christine wirklich geht und auch Kim muss alleine durch seine Verzweiflung und Traurigkeit, mehr noch, Lia wird ihm sein vermeintlich „starkes“ Verhalten früher oder später vorwerfen, wie gefühlskalt er doch sei.
Der Mangel an Verletzlichkeit ist ansteckend.
Hier ein paar Impulse, warum es so wertvoll ist verletzlich zu sein und mit ihnen die anderen Perspektiven die häufig vergessen werden. Fehlkonzepte und die falsche Kausalität sorgen für den Rest. Wenn Kim nämlich von Lia konfrontiert wird, abgelehnt wird, wird er sich vermutlich bestätigt fühlen, dass es besser war sich nicht so verletzlich gezeigt zu haben, so verletzend und vorwurfsvoll wie sie nun reagiert. Dabei ist es gar nicht er, der da abgelehnt wird, sondern seine Strategie sich zu schützen, indem er nicht zeigt, wie traurig er wirklich ist.
Wenn Du nicht um Hilfe bittest, bekommst Du auch keine.
Oft haben wir Angst eine Last darzustellen, wenn wir um Hilfe bitten, also versuchen wir es alleine zu schaffen - was auch immer. Und fragen nur, wenn es wirklich nicht anders geht. Bekommen wir dann keine Unterstützung, werden wir wütend. Wir fragen doch soooo selten!
Und manchmal ärgern wir uns, wenn wir um Hilfe gebeten werden oder aber jemand uns fragt, ob wir helfen können. Dann empfinden wir bereits die Frage als Frechheit. Warum? Weil wir nicht "nein" sagen können. Oder / und weil uns ja auch niemand hilft, aber wir sollen immer, oder was? Zu diesem Thema gibt es noch einen ganz eigenen Beitrag auf Instagram, eine Podcastfolge folgt.
Wenn Du nicht zeigst, wie schlecht es Dir geht, wird auch niemand Dein Leid sehen - für Dich da sein.
Manchmal schämen wir uns so sehr für unsere Schwäche und Bedürftigkeit und haben noch dazu das Gefühl, dass ja ganz offensichtlich alle sehen, wie schlecht es einem geht, um wenigstens nicht ganz so armselig zu wirken, lächeln wir einfach weiter und sind natürlich nicht so verrückt auch noch explizit zu benennen, dass es uns nicht gut geht - damit würden wir es ja nur noch schlimmer machen.
Wenn wir dann aber weder Hilfe noch Fürsorge oder Trost bekommen, ärgern wir uns. Das ist doch ungerecht! Gleichzeitig reagieren wir dann allergisch auf Menschen, die wegen Kleinigkeiten rumheulen. Insbesondere, wenn sie dann Hilfe und Unterstützung bekommen - nur wir nicht, wir müssen ja stark sein.
Bekommst Du langsam eine Ahnung, wie widersprüchlich wir uns manchmal verhalten und verstehst gleichzeitig die Logik dahinter? Es ist nicht Deine Schwäche das Problem, das Problem ist, Deine Sicht auf die Schwäche, Du versuchst sie zu kaschieren. Gleiches gilt auch für Deine Sorgen und Befindlichkeiten:
Wenn Du Deine eigenen Sorgen und Deinen Stress relativierst, werden sie (wirst Du) nicht ernst genommen.
Ich verstehe durchaus, dass es manchmal unangenehm sein kann, gesehen zu werden, also jammern wir kurz und sobald jemand dann sagt: "Oh mann, das klingt aber echt viel!" rudern wir zurück und sagen: "Ach, was! Ich krieg das schon hin!" Weil es uns unangenehm ist, das sich jemand anderes nun vielleicht Gedanken um uns macht, sich sorgt.
Wenn Du Abhängigkeit ablehnst, wirst Du nie die tiefe Verbundenheit zu einer anderen Person erleben.
Abhängigkeit ist ein so negativ kontiertes Wort. Dabei geht es in Freundschaften und Beziehungen eigentlich nicht um diese existentielle Abhängigkeit, vielmehr geht es darum, zu signalisieren, dass man einander ab und zu braucht.
Klar kannst Du den Schrank alleine tragen, aber nur wenn Du signalisierst ich brauche Dich dafür, signalisierst Du ja noch lange nicht, dass Du nicht lebensfähig ohne den Anderen bist. Du kannst Dich auch selbstbefriedigen, schöner ist es dann aber doch zu zweit. Der Unterschied zwischen Abhängigkeit und Abhängigkeit besteht in der Freiwilligkeit. Die Angst davor enttäuscht zu werden, hängen gelassen zu werden und dann ganz alleine da zu stehen, wie damals (?) geht ja nicht weg, nur weil Du es von vorne herein alleine machst. Wenn Du um Hilfe bittest oder jemandem sagst, dass Du ihn/sie brauchst, dann heißt es ja nicht, dass Du es ohne ihn/sie gar nicht schaffst, sondern nur, dass Du bereit bist nicht alles alleine zu machen und auch für den Anderen da zu sein.
Wenn Du Dinge lieber mit Dir allein ausmachst, fühlst Du Dich oft einsam.
Und das liegt ja auf der Hand.
Wenn Du Deinen Kindern vermittelst, dass Du IMMER stark bist, vermittelst Du ihnen ein verzerrtes Bild vom Erwachsen-sein.
Was macht es wohl mit einem Menschen, der zwei vermeintlich starke und immer gut gelaunte Vorbilder hat, während der aufwächst? Vermutlich wird dieser Mensch sich schämen, sobald er feststellt, dass er/sie nicht so stark ist, wie seine vermeintlich perfekten Eltern und sich dann ebenfalls hierfür ablehnen. Als Eltern sind wir Vorbilder, uns wird nachgeeifert und möchtest Du, dass Deine Kinder einen ähnliche hohen Druck verspüren, wie Du aktuell? Dann erlaube ihnen Dich so zu sehen wie Du bist, mal stark, mal schwach. Traurig und glücklich.
Wenn Du Deine Emotionen nicht zeigst, alles immer nur halb so wild ist, Du es auch alleine schaffst und niemanden brauchst, wie wertvoll fühlst Du Dich?
Glaubst Du all das nicht verdient zu haben?
Wer hat Dich angesteckt? Dir das beigebracht? Dich so verletzt?
Sich selbst verletzlich zu zeigen sorgt nicht nur dafür, dass die Verletzungen auch versorgt werden, sondern hilft auch Anderen zu heilen.
Was hilft konkret? Ich muss selbst lachen bei der Frage. Kommen wir zurück zu Jonas, sich der Funktion von Verletzlichkeit und emotionaler Verbindlichkeit bewusst zu werden ist Schritt eins. Danach gilt es behutsam und intrinisch die Fehlkonzepte und Fehlverknüpfungen sowie die negativen Erfahrungen zu korrigieren. Dies wiederum bedarf ausreichend Sicherheit und Vertrauen. Im Idealfall spricht er mit Laura offen über seine Sorgen und sein Unwohlsein, bezogen auf seine Gefühle und Empfindungen.
Laura wird hierdurch ermöglicht, Jonas besser zu verstehen und auch zu verstehen, dass sein Mangel an Emotionalität und sein Wunsch sich stark zu präsentieren, nichts damit zu tun haben, sie klein und schwach halten zu wollen und auch nichts damit, dass er ihr nicht vertraut. Im Gegenteil, Laura ist ihm so wichtig und er möchte sie nicht verlieren, indem er für sie womöglich nicht mehr dieser große, starke Fels in der Brandung ist.
Lässt Laura diese Erkenntnis zu und kann sie diese annehmen und verstehen, wird sie deutlich behutsamer und sensibler auf die kleinen Versuche von Jonas eingehen können. Es kann bspw. sein, dass Jonas (unbewusst) zunächst versucht mehr von der Arbeit zu erzählen, um überhaupt mal etwas preis zu geben und die Erfahrung zu machen, dass es okay ist Raum einzunehmen. Reagiert Laura dann vielleicht ungehalten und signalisiert, dass sie das nicht interessiert, wird Jonas seine Erfahrung zunächst nicht korrigieren. Lässt Laura ihm jedoch ausreichend Raum, hört aufrichtig zu und signalisiert Interesse, wird Jonas seine Erfahrung korrigieren und immer mehr aus sich heraus kommen können.
Da ich hier aber schon fast ein neues Thema aufmache und ja bereits zwei Thematiken angesprochen habe, ende ich nun hier. Ich hoffe auch Du konntest etwas für Dich mitnehmen.
"Warte, also ich soll meine Angst vor meinen eigenen Gefühlen überwinden und mich verletzlich zeigen?"
"Im Ideal, ja."
"Und gibt es eine Garantie, dass Laura sich dann nicht trennt?"
"Eine Garantie gibt es nie...!"
"Okay, ich wusste da ist ein Haken!"
"Wäre es denn so schlimm, wenn sie sich trennt?!"
"Blöde Frage, was bin ich denn schon ohne sie?"
"Also bist Du bereits abhängig?"
"Ey, das ist fies"!"
"Ja, stimmt und es beweist, dass Du eben nicht steuern kannst wann und ob Du Dich abhängig machst. Du kannst Dich auch nicht dazu entscheiden, nicht verletzlich zu sein. Das einzige was Du tun kannst ist, all das nicht zu zeigen und hierdurch Einsamkeit in Kauf zu nehmen - und eigentlich zeigst Du all das ja nur deswegen nicht, weil Du Angst hast Laura zu verlieren. Angst vor der Einsamkeit.
"Ja, aber das Maß an Einsamkeit kann ich ja aktuell kontrollieren, wenn sie geht, nicht mehr."
"Es ist erstaunlich, wie sehr Du versuchst Wege zu finden nichts verändern zu müssen und wie logisch-nachvollziehbar es klingt. Jonas, Du musst nichts ändern, Du musst Dich auch nicht öffnen, Du darfst so bleiben wie Du bist, dann liegt es an Laura, ob ihr das reicht oder nicht..."
"Es klingt hier so einfach, aber ich habe furchtbare Angst..."
"Und wäre es nicht schön, wenn Du da nicht alleine durch müsstest?"
"Ja."
"Schau mal wie weit Du schon gekommen bist."