Zwischen Wohlbefinden und Begrenzung
Sicherlich hast Du Dich schonmal mit Deiner Komfortzone beschäftigt und so Dinge gehört wie: Außerhalb dieser fängt die Magie an! Früher fand ich solche Sprüche immer motivierend und habe Menschen bewundert, die es schaffen außerhalb ihrer Komfortzone zu leben.
Mittlerweile finde ich solche Sprüche weder motivierend noch nett, sie ärgern mich. Sie ärgern mich, weil sie suggerieren, man muss sich verändern um Magie zu erleben, man muss sich von sich selbst trennen. Und dabei führt der Weg gar nicht von Dir weg, sondern zu Dir hin.
Ich bin Jenni, Personzentrierte Beraterin und Paartherapeutin, meine Praxis befindet sich in Unna (NRW) und virtuell hast Du mich bereits gefunden.
Lass uns doch mal schauen:
Wie siehts in Deiner Komfortzone so aus?
Ist sie wirklich so gemütlich und schön, wie sie klingt? Oder einfach nur bequem und funktional? Es ist paradox, dass sich unsere Komfortzone auch dann gut anfühlt, wenn wir dort klein gehalten werden. Das Gefühl haben nicht wählen zu können. Wenn wir fremdbestimmt sind und zweifeln.
Aber das kennen wir eben. Die Macht der Gewohnheit. Wir finden Ausreden, statt etwas zu tun. Zu verändern. Wir finden Gründe, statt Wege. (Camus oder Meurer?)
Es spielt letztendlich keine Rolle, aber das ist der Grund, warum Dir häufig signalisiert wird, dass Du etwas ändern oder tun musst, raus aus Deiner Komfortzone musst, damit Dein Leben gut wird.
Auf dem Weg zur Selbstliebe, gilt es die Komfortzone zu verlassen. Steht auch in jedem Guide zur Selbstliebe.
Doch genau das ist so fatal!
Es nutzt nichts, den zweiten vor dem ersten Schritt zu gehen. Es kann sogar kontraproduktiv sein, wenn man es versucht und scheitert. Statt Selbstliebe, erzeugt man Selbstzweifel.
Daher schau Dich doch erstmal in Deiner Komfortzone um! Beim Umzug richtest Du Dich auch nicht komplett neu ein.
Bevor Du in Deine neue Komfortzone einziehst, überlege mit Sorgfalt, welche Kiste und welches Möbelstück den Aufwand wert ist mitgenommen zu werden. Und wenn da sperrige und schwere Sachen bei sind, die Du noch nicht loslassen kannst, dann such Dir doch Hilfe beim Tragen, vertrau Dich an, sei authentisch. Bedürftig.
Und vielleicht musst Du nichtmal umziehen, vielleicht reicht es schon auszumisten.
Ich mag die Bildersprache, wie Du weißt. Aber meist fehlt die Zeit und der Raum, sich selbst genau und vertieft zu verstehen. Es kommt gar nicht so selten vor, dass Menschen zu mir in die Einzelberatung kommen und als Anliegen formulieren, dass Sie unsicher sind, ob ihr Job ihnen noch gefällt und am Ende reden wir über die Beziehung, in der sie sich befinden und schon lange nicht mehr glücklich fühlen.
Oder Menschen kommen, weil sie etwas nicht schaffen, sei es eine Prüfung, eine Bewerbung zu verfassen, ein Gespräch mit jemandem zu führen, sich zu trennen, sich zu verändern, abzunehmen, an Vorsätzen festzuhalten... Mein erster Impuls ist dann eben nicht mit diesen Menschen die nahleigende Frage nach dem WIE genauer zu betrachten, sondern ich stelle erstmal die Frage: Warum?
Oft ist es so, dass wir etwas anstreben, um dadurch etwas zu erreichen: Anerkennung, Zufriedenheit, Liebe, Leichtigkeit, weniger Leid, Freiheit...
Sprüche wie 'Raus aus der Komfortzone' bestärken dann kurzfristig, etwas zu tun, was vielleicht unvernünftig oder gar unstimmig ist. So etwas verspricht eine schnelle Linderung: Jezt hau die Bewerbung raus! Jetzt geh halt Laufen! Jetzt trenn Dich!
Statt bewusst, achtsam und behutsam zu reflektieren und vielleicht auch dorthin zu gehen wo es schmerzt: Wie sieht es hinter Deiner Couch aus? Klar können wir die ollen Kissen durch neue erstetzen, aber davon geht der komische Geruch, ausgelöst durch irgendwas Fieses dahinter auch nicht weg.
Wenn Du Dir Zeit nimmst, genau in Dich hinein hörst und wirklich überlegst, was gut tut, was nicht gut tut, aber dennoch behalten werden muss und was weg kann oder verändert, gereinigt, neu aufbereitet werden muss, dann schaffst Du Dir diese neue, aufrichtige Komfortzone, die Bewusste. "Das hier brauch ich noch, das darf bleiben. Der Preis ist die Anstrengung."
Aber eben ganz bewusst. Mit Akzeptanz. Und eben nicht, weil es immer schon so war und da halt rumstand.
Und wenn das gelingt: Herzlichen Glückwunsch.
Selbstliebe bedeutet nämlich nicht sich selbst zu verlassen, um dann endlich liebenswert zu werden. Selbstliebe bedeutet, so zu sein wie Du bist. Dich selbst bewusst und achtsam, anzunehmen. Und endlich sein zu dürfen udn Dich eben mit den Menschen zu umgeben, die Dich für Dein Sein schätzen. Klar kannst Du jetzt jeden Tag Gartenarbeit erldigen oder Dir nen Steingarten zulegen, damit Deine Nachbarn Dich endlich nett grüßen und Du auch mal zu ihrem Spieleabend kommen darfst. Aber wenn Du keine Lust auf Halma im Steingarten und Gespräche über die CDU hast, warum versuchst Du dann Deine Nachbarn mit etwas zu beeindrucken, was Dir selbst zuiwder ist?
Du musst nicht werden. Du bist.
Saskia fühlt sich gerade ganz schon begrenzt in ihrer Komfortzone:
„Alles ist gerade doof. Mein Job ist mies, morgen ist Montag, ich hab nichts geschafft am Wochenende, meine Steuern vom vorletzten Jahr sind überfällig, ich bin einfach müde und Winterreifen habe ich auch noch nicht. Wann hätte ich mich auch darum kümmern sollen?“
„...ich kann Dir mein Auto leihen, ich bin ja eh im Homeoffice! Ich weiß, das löst nicht alles, aber dann kommst Du morgen wenigstens zur Arbeit!"
„Wohooo! Ich komme zur Arbeit!“, sagt Saskia sarkastisch.
Lena schweigt. Sie wollte ja nur helfen. Da fällt ihr ein, dass Saskia vor 2 Wochen von ner Stellenausschreibung geschwärmt hat und fragt nach: „Hattest Du eigentlich ne Bewerbung abgeschickt, für die Stelle bei der Stadt?“
„Kannst Du bitte den Salzstreuer wegpacken?“, sagt Saskia zickig.
Lena schaut sie irritiert an.
„Salz in die Wunde?!“, erklärt Saskia ihr, als wäre sie schwer von Begriff.
„Boah, Saskia! Ich glaub ich fahr besser!“
Saskia schaut sie nun entschuldigend an und sagt: „Sorry, aber ist vermutlich das Beste, mit mir ist nichts anzufangen.“
Lena steht auf, zieht sich an und fragt noch: „Brauchst Du mein Auto morgen? Du könntest mich ja wegbringen und hast dann eins."
Saskia winkt ab: „Nee, das klappt schon! Danke.“
Als die Tür ins Schloss fällt ärgert Saskia sich, warum schafft sie es einfach nicht raus aus ihrer Komfortzone? Wegbewerben. Einfach mal Hilfe annehmen. Und warum musste sie den ganzen Samstag auf ihren Neffen aufpassen, obwohl sie eigentlich keine Zeit hatte?
Saskia hat Angst vor Veränderung, in einem neuen Job, kann es ja nicht nur besser, auch schlechter werden. Sie reagiert grundsätzlich mit einem „Ja, klar!“, wenn jemand Hilfe braucht, gleichzeitig stellt jede Bitte um Hilfe auch ne Belastung dar. Daher mag sie es nicht, selbst um Hilfe zu bitten - sie will keine Last sein. Sie hat Lena gegenüber ein schlechtes Gewissen, das macht es noch schwerer sie nun doch nach dem Auto zu fragen.
Die logische Konsequenz: Sie muss was ändern! „Raus aus der Komfortzone!“
Hui. So direktiv, zu direktiv für meinen Geschmack. Zu hart. Ja, teilweise stehe ich mir selbst im Weg. Meine Angst lähmt mich. Meine Muster haben neben der Schutzfunktion auch Nachteile. Die Komfortzone ist aber ja eigentlich was Schönes. Die Zone in der ich mich sicher und gut fühle. Sie ist komfortabel. Ich mag sie gerne! Warum raus?
Es geht doch nicht darum, alles hinter sich zu lassen und stetig neu zu beginnen. Beim Umzug, trennst Du Dich ja auch nicht von ALLEM was zu Dir gehört.Ich weiß, „Raus aus der Komfortzone“ bedeutet nicht sich neu zu definieren, dennoch suggeriert uns diese harte Aussage genau das. Und wenn ich unzufrieden bin, dann greife ich auch gerne mal zum Extremen - um dann zu scheitern.
Der Teufelskreis wird rund.
Hier stelle ich Dir sanftere und hoffentlich einleuchtende Impulse vor, die Dir helfen, Deine Komfortzone zu behalten und Dich lediglich von den Dingen zu trennen, die Dich ausbremsen, Dich begrenzen.
1. Widme Dich Deiner Komfortzone zeitlich begrenzt und konsequent.
Du bist unzufrieden, würdest gern anders, weißt aber nicht wie. Du hast das Gefühl, auf der Stelle zu treten, möchtest Dich verändern und gleichzeitig ist da so viel was losgelassen werden müsste...
Nimm Dir etwas Zeit und versuche Kategorien zu finden:
Wo möchtest Du was und auch wie verändern?
Beziehungen, Beruf, Verhaltensweisen, Hobbys, Zeit, ...
Fange mit einer Kategorie an und bleibe zeitlich begrenzt und konsequent dabei.
2. Erfahren, Erleben, Spüren
Nun widme Dich nach und nach den Kategorien und vor allem dem WARUM
3. Weg vom „Loslassen“ hin zum „Festhalten“
Ein Dilemma, das Du sicherlich kennst. Du konzentrierst Dich auf das, was Du verändern, loslassen willst.
Widmest Dich also lieber einer Lösung, statt dem Problem.
Warum das ein Dilemma ist, ist vielen nicht klar. Spätestens wenn sie an der Lösung scheitern oder nicht loslassen können, merken sie: Irgendwo hakt es!
Verändere mal Deine Perspektive: Warum hältst Du fest? Warum willst Du etwas ‚lösen’? Und frag Dich vielleicht vorab: Woran willst Du festhalten?
*Ähnlich mit der Zeit: Oft machen wir den ganzen Tag das, was vermeintlich getan werden muss, um dann frustriert zu sein, weil man die Dinge, die man tun wollte nicht geschafft hat. Warum haben die eigentlich so wenig Priorität?
4. Umgebe Dich mit dem, was Du sehen willst! Verrückt, oder? Verrückt, dass wir genau das so oft nicht tun! Du hast Dir nun bewusst gemacht, was Dir in welchem Bereich wichtig ist. Du weißt, was Du willst. Du weißt, was Dir gut tut.
Und nun, setze es um. Umgib Dich öfter mit den Menschen, die Dir gut tun und weniger mit den Menschen, bei denen Du Dich verpflichtet fühlst. Wenn Dein Job vor allem dazu dient, Geld zu verdienen, dann behandle die Tätigkeit auch so, statt unbezahlte Mehrstunden nach Feierabend anzuhäufen, als wäre es dein Hobby. Wenn gewisse Verhaltensweisen Dich ausbremsen, Dir schaden, versuch sie zu ändern oder suche Dir Hilfe dabei sie zu verändern. Und wie hier immer wieder benannt udn gefragt, wenn es hakt, frage nach dem WARUM, dem tieferen Sinn, statt nach dem Wie.
5. Visualisiere Deine Wünsche, Erfolge und auch die Niederlagen
Erinnere Dich selbst daran, wie Du warst, bist und sein willst. Vielleicht durch ein Tagebuch, vielleicht durch Fotos, vielleicht durch nen Insta-Account... Nichts wird gänzlich verschwinden, sondern ist und bleibt ein Teil von Dir - so oder so. Annehmen, erleben, erinnern statt ablehnen, resignieren und vergessen. Letzteres gelingt Dir ja ohnehin nicht, es holt Dich immer wieder und immer stärker ein.
Es geht nicht darum, die Komfortzone zu verlassen, sondern sie so zu gestalten, dass sie Dich nicht ausbremst und Du Dich dennoch wohlfühlst. Ebensowenig, wie Du anders werden musst, um liebenswert zu werden. Das ist ein Prozess, Schritt für Schritt, achtsam und behutsam und bewusst. Je verzweifelter Du bist, desto extremer die Maßnahme die Du ergreifst und desto größer der Fall, wenn Du scheiterst: "Mal wieder bestätigt worden, darin, dass Du halt einfach nicht gut genug bist."
Um diesem Jojoeffekt zu umgehen, bedarf es kleiner Schritte.
Was darf und soll nicht verändert werden?
Dann behalte es. Mach Dir den Preis bewusst, halt daran fest. Aber versuche Dich dabei zu sehen. es kostst Dich Kraft, vielleicht tut es weh, vielleicht ist es frustrierend, aber Du hast Dich entschieden festzuhalten, an dem engen Kontakt zur bedürftigen Mutter bspw. Dann sei Dir dankbar und sieh Deine Anstrengung, die Du in Kauf nimmst, Deine Grenzüberschtreitungen, ihr zur Liebe - obwohl sie vielleicht nie snderlich fürsorglich war. Statt Dich darüber zu ärgern, dass Du so blöd bist und es Dir nicht einfach egal ist. Ist es nicht. Das ist gut so.
Was soll bitte weg? Frag nicht wie Du loslassen kannst, erkläre Dir warum Du loslassen willst. Nutze Dein Gefühl, Deine Intuition: Was ist gut? Was sorgt für unangenehme Gefühle? Für Stress? Schuld? Scham? Druck?
Du hast es verdient glücklich zu sein, unbeschwert zu leben, zu lieben und zu lachen. Du darfst Dich sogar selbst lieben. Du darfst frei sein. Und Du darfst in Deiner Komfortzone bis zum Lebensende bleiben! Das ist Dein Zuhause.
Du bist Dein Zuhause.
Und in Deinem Zuhause machst Du die Regeln - auch wenn sich das vielleicht befremdlich anfühlt, aber Du musst keine fremden Hunde in Deinen Garten kacken lassen udn erst Recht nicht in Dein Wohnzimmer. Ah, jetzt wissen wir vielleicht auch, was da so stinkt hinter der Couch?!
Falls Du Dir weitere Impulse wünscht, ich empfehle Dir die Folge zum Grenzen setzen, die passt thematisch ziemlich gut hierzu.
Und falls Du Dir Unterstützung wünscht, bei der Suche nach Deinem 'Warum' oder auch dem Grund, der Dich hemmt, blockiert und ausbremst, vereinbare gerne online einen Termin mit mir. Und falls Du Dir regelmäßige Beiträge, Artikel, Podcastfolgen wünscht, dann abonniere gerne meinen WhatsApp-Kanal oder trag Dich in den Newsletter für die Entspannungshelden App ein.