Paartherapie, Personzentrierte Beratung & Weiterbildung (GwG e.V.) 
Jennifer Angersbach

Partnerschaft in der (Corona) Krise

Bereits vorhandene Probleme werden verstärkt oder Themen, die eine gute Balance erfordern geraten aus dem Gleichgewicht

1. Aufgabenverteilung

Ein immer heikles Thema, bei dem es kein richtig und kein falsch gibt. Warum? Jeder hat andere Stärken, Vorlieben und Belastungsgrenzen.
Sobald Kinder ins Spiel kommen, gewöhnen sich beide oft an einen illusionären Zustand, des ersten Jahres, in dem - meist die Frau - zu Hause ist. Geht sie wieder - meist in Teilzeit - arbeiten, ist für beide dennoch selbstverständlich, dass weiterhin sie für die Kinder und den Haushalt verantwortlich ist, während es sehr aufmerksam und nett von ihm ist, wenn er ihr hilft. 
Erst wenn die Frau an ihre Belastungsgrenze stößt (eher später als früher), fällt diese Schieflage auf und dann wird dem Mann die Schuld dafür gegeben. Das Resultat beide sind frustriert und wütend.
Durch das Homeschooling wird diese Belastungsgrenze deutlich schneller und plötzlicher erreicht - klar!


2. Abwertung als Schutz

Wenn uns jemand verletzt, nicht gut tut oder uns einfach schlecht fühlen lässt, bedienen wir uns gerne der Schutzstrategie der Abwertung. 
In einer Partnerschaft kommt es immer wieder zu kleinen und auch großen Enttäuschungen und Verletzungen. Werden diese nie ganz verstanden und dadurch geheilt, summieren sie sich auf, bis wir beginnen den Anderen klein zu reden, ihn abzuwerten, damit er uns nicht mehr verletzen kann. (Man schützt sich zu einen echt hohen Preis!)

Gerade in Zeiten der Pandemie sind wir ohnehin schon viel Frust und vielen Enttäuschungen ausgesetzt (Regeln, Verboten, Angst), wenn dann plötzlich auch der Partner dafür sorgt, ist es wesentlich schlimmer, hier kann unsere Enttäuschung zielgerichteter rausgelassen werden.


3. Der Partner als Ventil eigener Frustration

Viele Annehmlichkeiten bleiben uns durch die Pandemie verwehrt. Was passiert wohl, wenn Du einem 3-jährigen sein Auto wegnimmst? Er wird ausrasten! Schreien, weinen und das vermutlich so lange, bis Du ihm etwas anderes gibst, Trost zum Beispiel.Du bist keine 3, Deine Frustrationstoleranz und Impulskontrolle funktionieren deutlich besser. Aber Dir wird aktuell viel mehr weggenommen als nem 3-jährigen: Freiheit zum Beispiel.Und nun bist Du frustriert, brauchst Ersatz, vielleicht Trost. Verständnis. Doch einer frustrierten Frau / einem frustrierten Mann Liebe zu geben, wenn man selbst frustriert ist, ist unheimlich schwer. Ohne Ersatz, brauchen wir ein Ventil: Und da ist der Partner oft hervorragend für geeignet. Er ist ja da.


4. Autonomie & Nähe

Wir alle leben in diesem Spannungsfeld zwischen Autonomie und Nähe.
Geprägt wurde unser Umgang mit dem Bedürfnis nach Zuneigung und dem nach Unabhängigkeit schon in unserer frühen Kindheit. Manchmal ist das Verhältnis so unausgewogen, dass es auch ohne Pandemie Probleme verursacht.
Mit den Regeln und Verboten der Pandemie jedoch, ist die Autonomie in der Partnerschaft extrem eingeschränkt. Und wenn dann auch noch beide im Homeoffice sind. Autsch. Wenn es dann noch Kinder gibt, die betreut/beschult werden müssen. Dann ist man permanenter Nähe ausgesetzt, und dieses zu viel an Nähe kann extrem unangenehm werden: Zwang, Fremdbestimmung, Einengung.


5. Mangel an Anerkennung

Wir alle haben ein Bedürfnis nach Anerkennung. Wie groß das Bedürfnis ist, ist unterschiedlich, bei manchen scheint es nie genug zu sein, Andere wirken sehr genügsam. Manche sind in der Lage sich selbst diese Anerkennung zu geben, Andere benötigen sie von außen.

In Zeiten der Pandemie gibt es kaum mehr „Räume“ in denen man Anerkennung bekommen oder auch, aus sich selbst heraus ziehen kann:

Freunde. Arbeitskollegen. Oder auch das Fitnessstudio oder ähnliche Institutionen. Aber auch Shoppen um die Wohnung oder sich selbst ‚herzurichten‘. Für Andere da sein.
Der fast einzige Ort, wo dieser gestillt wird, ist die Partnerschaft. Die Gründe warum sie dort ausbleibt, sind auf den Slides davor beschrieben.

6. Ersatzbefriedigungen

"Ich habe mehr Aufgaben (als der Andere), mein Partner ist ohnehin [füge passende Abwertung ein], außerdem bin ich einfach frustriert, ich fühle mich eingeengt, funktioniere nur noch und keiner sieht, was ich leiste. 
Wie kann das (oder auch nur Aspekte davon) ausgeglichen werden?" Durch Ersatzbefriedigungen!

  • Soziale Medien (Instagram, Facebook bis hin zu Tinder)
  • Unterhaltungsmedien (TV, Netflix, YouTube...)
  • Spiele (von CandyCrush, über Sims bis hin zum OnlineCasino)
  • Einkaufen (Schuhe, Klamotten, Wellness, Elektronik, Spielzeug)
  • Essen 
  • ...

Das alles birgt weitere Risiken: Unzufriedenheit, Dopaminsucht, Geldsorgen, Gewichtszunahme, Betrug...

 
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